Zeitblick / Das Online-Magazin der HillAc - 10. März 2012 - Nr. 42

2012 – das Ende der Welt?
von Annegret Zimmer

Nun hat es also begonnen, dieses ominöse Jahr 2012, dem ein so großes Umbruchs- und Veränderungspotenzial vorhergesagt wird! Esoteriker verschiedenster Ausrichtungen begründen ihre Prognosen mit dem angeblichen Ende des Maya-Kalenders, einem Ereignis, das rechnerisch im Dezember dieses Jahres eintritt. Warum gerade der Maya-Kalender, wo es doch weltweit so viele andere Systeme gibt? Ich glaube, ein Grund liegt darin, dass die Maya eine für uns äußerst faszinierende Kultur sind: Ihre Hinterlassenschaften wurden erst in den letzten Jahrzehnten erforscht, und es konnten längst noch nicht alle Geheimnisse gelüftet werden. Sie besitzt eine lebhafte, faszinierende Bildsprache, deren Inhalte sich uns bis heute nicht vollständig erschlossen haben und es vielleicht niemals tun werden. Und diese Kultur „verschwand einfach“, so zumindest erscheint es. Offensichtlich begeistern wir uns heute für die Maya ebenso, wie die Väter des modernen Tarot für das alte Ägypten geschwärmt haben, das seinerzeit, am Ende des 19. Jahrhunderts, ähnlich unerforscht und unverstanden war.

Interesse und Bewunderung kommen dem Kalender der Maya durchaus zu, war er doch der am weitesten entwickelte im vorkolonialen Lateinamerika. Er kombinierte ein rituelles und ein ziviles Kalendersystem und war daher in genialer Weise für beide Lebensbereiche anwendbar. Durch die Kombination der beiden Systeme entstanden Zyklen von 52 Jahren, die ihrerseits ca. alle 5.000 Jahre wieder zu einem Ursprungspunkt zurückkehren. Das letzte Ereignis dieser Art wurde von den Maya auf 3.113 vor Chr. datiert und mit einem Neubeginn der Schöpfung gleichsetzt. Das geschah natürlich im Nachhinein, da es dieses legendäre Volk vor 5.000 Jahren noch gar nicht gegeben hat. In Jahr 2012 durchläuft die Zeitrechnung der Maya erneut diesen „Nullpunkt“, und ein neuer Weltzyklus von 5.000 Jahren beginnt. Man kann also nicht von einem Weltende sprechen, sondern lediglich vom Ablauf eines Weltzeitalters und dem Beginn eines neuen, noch unbekannten. Wir können die alten Maya nicht mehr fragen, ob sie für das Jahr 2012 besondere Erwartungen hegten. Ihr zyklisches Weltbild jedenfalls und ihr genialer Kalender befähigten sie durchaus dazu, über dieses Datum hinaus Berechnungen und Betrachtungen für die Zukunft anzustellen.

Wollen wir also der geistigen Welt gerecht werden, die sich im Kalender der Maya ausdrückt, so sollten wir nicht bei den Tarotbildern von Tod und Turm stehen bleiben, die uns – in christlich-abendländischer Manier – die Endlichkeit allen Seins vor Augen führen und deren düsteren Motive schon immer bei Endzeitpropheten sehr beliebt waren.

Eine andere Karte ist es, die im Tarot für das Durchlaufen von Zyklen, für Höhepunkt, Erfüllung und Neubeginn steht. Es ist eine ganz und gar nicht düstere, sondern vielmehr helle und freudige Karte: Die Welt! Sie steht als 22. Karte am Ende der Reihe der Großen Arkana und kündet davon, dass ein Entwicklungsweg erfolgreich abgeschlossen wurde, alle Aufgaben erfüllt, alle Ziele erreicht und die Misserfolge vergeben und vergessen sind. Die Person auf der Karte kann frei und unbeschwert tanzen, da sie am Ziel ihrer Wünsche und am Ort ihrer Bestimmung angekommen ist. Sie wird umgeben von einem Siegeskranz, dem Zeichen ihres Erfolgs, und von Engel, Adler, Stier und Löwe, die zuletzt in christlicher Zeit den vier Evangelisten zugeordnet wurden, aber auch schon in früheren Kulturen wichtige Symbole waren. Hier stehen sie für Glaubensgrundsätze und Überlieferung. Wir sind ihnen in der Großen Arkana bereits einmal begegnet, nämlich auf der Karte Das Rad des Schicksals (s. ZEITBLICK Nr. 26), welches uns vom Auf und Ab des Lebens berichtet. Waren sie dort jedoch in Sandsteingelb abgebildet und wirkten wie tote Skulpturen, so sind sie jetzt farbenfroh und lebendig dargestellt. Ging es beim Rad des Schicksals um tote Tradition, um Mythen und Legenden, die man nicht wörtlich nimmt, so haben wir hier vor Augen, wie Überlieferung zu neuem Leben erwacht und uns das Wissen, den Glauben und die Erfahrung unser Vorfahren wieder zugänglich werden – lebendig, beschützend und lehrend. Die Welt zeigt den ungebrochenen Strom des Lebens. Und wenn wir das Ende eines Zyklus erreicht haben, so lehrt uns diese Karte, dass wir uns nicht für immer an diesem Punkt ausruhen werden, sondern uns neuen Wegen und Herausforderungen zuwenden. Und alles, was wir erreicht und gelernt haben, wird zur Grundlage für die neuen Wege, die wir gehen.


"Die Welt" aus den Tarotkarten
von Arthur E. Waite & Pamela Colman Smith (1)

Das Jahr 2012 wird, so viel steht fest, viele Herausforderungen und Veränderungen auf den Weg bringen. Es knüpft an ein ereignisreiches Jahr 2011 an. Jeder von uns hat die Möglichkeit, an den Entwicklungen teilzuhaben und so gut es geht mitzuwirken. Ich wünsche allen Lesern ein gutes Jahr mit gangbaren Wegen und wichtigen Erfahrungen. Und natürlich mit Freude und Sonne auf diesem Weg!

Segen auf dem Weg

Für deinem Weg, wo immer er dich hinführt und wie lang und erlebnisreich er auch bemessen sein mag, wünsche ich dir,

dass du alle Geduld aufbringen mögest, die erforderlich ist,

dass du immer unter einem guten Stern wandeln und die Gunst der Stunde erkennen mögest, wenn sie gekommen ist,

dass du in schwierigen Situationen immer einen weisen Beschützer zur Seite hast,

dass du dort, wohin dich dein Weg führt, willkommen bist und angenommen wirst, so wie du bist.

© Annegret Zimmer

(1) Mit freundlicher Genehmigung des Königsfurt-Verlags. © Königsfurt Verlag, Krummwisch.

Annegret Zimmer lebt und arbeitet in Halle/Saale und ist Gründungsmitglied des Tarot e.V. Erster Deutscher Tarotverband.